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  • Ist die Konstruktion der Zukunft und das Fertigwerden ür alle Zeiten nicht unsere Sache, so ist desto gewisser, was wir gegenwärtig zu vollbringen haben, ich meine die rücksichtslose Kritik alles Bestehenden, rücksichtslos sowohl in dem Sinne, dass die Kritik sich nicht vor ihren Resultaten fürchtet und ebensowenig vor dem Konflikte mit den vorhandenen Mächten.
  • – Karl Marx

In a Direct Line - Photo von Ulli Diemer

Lady Marthas Story

Von Ulli Diemer


Normalerweise lösche ich Spamnachrichten, die durch den Filter in meinen E-Mail-Account gelangt sind, sofort. Auch wenn es natürlich verlockend wäre, meine geheimsten Fantasien erfüllt zu sehen - sei es nun Gewicht zu verlieren, ein Diplom in jedem x-beliebigen Fach zu erlangen, meine Brüste vergrößern oder meinen Penis verlängern zu lassen. Bisher habe ich allerdings noch nicht den richtigen Zeitpunkt dazu gefunden.

Ich habe aber eine heimliche Schwäche für diese liebevoll geschriebenen E-Mails, die von einer eindrucksvollen Lebensgeschichte erzählen. Manche sind regelrechte literarische Meisterwerke, kleine Prachtstücke auf ihre eigene Art und Weise. Falls Alice Munro mal in einen literarischen Engpass kommen sollte und Geld mit dem Schreiben von Spamnachrichten verdienen müsste, wären dies Stories, die sie schreiben würde, um an unsere Kontodaten zu gelangen.

Erst letztens habe ich eine E-Mail von einer gewissen Lady Martha bekommen. Sie kam gleich direkt aufs Thema zu sprechen:

„Hier schreibt Lady Martha Stirling und ich habe krebsartiges Leiden. Ich bin mit Ingenieur Dennis Stirling verheiratet ein Englischmann der tot ist.” Sie können hier ihre ganze Geschichte lesen (in Englisch).

Ich habe gleich eine gewisse Verbundenheit zu Lady Martha gespürt. Obwohl sie mit eigenen Problemen zu kämpfen hat” sie hat vor kurzem einen Anfall erlitten und laut ihrem Doktor „aufgrund von Krebsproblemen nicht mehr lange zu leben”, und dann ist da ja auch noch ihr Ehemann, ein Englischmann der tot ist – hat sie sich dennoch etwas ganz Besonderes für mich ausgedacht.

Ich glaube, was mir an Lady Martha gefällt, ist, dass sie an dem Guten und nicht an dem Schlechten in mir interessiert ist. Während die meisten Spamnachrichten auf meine Schwäche abzielen – wie zum Beispiel auf meine Gier, viel Geld an der Börse zu gewinnen, oder auf meine Unsicherheit in Bezug auf meinen Penis, mein Gewicht und meiner mangelnden Bildung – hat Lady Martha mich ausgesucht, weil sie weiß, dass ich ein guter Mensch bin. Sie hat mich ausgesucht, weil sie mir vertraut, dass ich ihre „10 Millionen Pfund Sterling”, die sie auf mein Bankkonto anzulegen beabsichtigt, nicht für meine eigenen Interessen missbrauchen werde, sondern „ mich um das Wohlbefinden von Witwer und Witwen, Waisen, Mittellosen, Unterdrückten, behinderten Kindern, unfruchtbaren Frauen und Leuten, die nicht genug Geld haben, kümmern werde.”

Es muss an diesem Blog liegen, dass die Menschen mittlerweile erkannt haben, was für ein netter und vertrauensvoller Mensch ich doch bin. Wie sollte ich es mir sonst erklären, dass ich nur fünf Tage nach Lady Marthas E-Mail eine ähnliche Nachricht von einer Lady Karen erhalten habe, die auch mit einem Englischmann der tot ist, verheiratet ist. Ihre Geschichte ist fast noch tragischer: Ihr Ehemann „starb in einer Zugexplosion in Spanien als er auf dem Weg zu einer Untersuchung beim Arzt war” und leider leidet auch sie an einem „Krebsleiden”. Ihre Geschichte können Sie hier lesen.

Lady Karen wird 6 Millionen Pfund Sterling auf meinem Bankkonto anlegen. Sie sagt, ihr Ziel sei es „den weniger Privilegierten unter uns ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.”

Und das ist ihr gerade gelungen.


Ulli Diemer
Blogeintrag vom 12. Juni 2008